Die Gemeinde Rehlingen-Siersburg gehört zum Landkreis Saarlouis, hat ca. 14.000 Einwohner und eine Gesamtfläche von ca. 61 km². Die Gemeinde besteht aus den Ortsteilen Rehlingen, Siersburg, Fürweiler, Obersch, Hemmersdorf, Niedaltdorf, Gerlfangen, Eimersdorf, Fremersdorf und Biringen.

In acht dieser zehn Ortsteilen ist der jeweilige Jugendtreff fest im Gemeinwesen verankert.

Im Interview erzählt die kommunale Jugendpflegerin Dunja Kolaric-Wilhelm, dass diese gute Infrastruktur offener Jugendarbeit bereits vor vielen Jahrzehnten entstanden ist: „Die Gemeinde hat in Sachen Offene Jugendarbeit viel meinem Vorgänger, Herr Friedhelm Neudorf zu verdanken. Als einer der ersten Jugendpfleger im Saarland hat er den Zeitgeist Ende der 1970er genutzt, um selbstverwaltete Jugendtreffs überall ins Leben zu rufen. Damals war man alternativen Wohn- und Jugendtreffformen gegenüber sehr offen und die Politiker*innen haben die Gründungswelle gerne mitgetragen.“ Seither sind die Jugendtreffs aus der Gemeinde nicht mehr wegzudenken.

Der Ortsvorsteher von Gerlfangen, Thomas Hoffmann erzählt im Interview, dass er selbst damals als Jugendlicher den Jugendtreff mitgegründet und eingerichtet hat. In den über 30 Jahren Geschichte sei der Jugendtreff Gerlfangen nie geschlossen gewesen. „Der Ortsrat stand schon immer hinter dem Treff und auch die Gemeinde hat damals beim Aufbau geholfen.“

Aus Sicht der Gemeinde und der kommunalen Jugendarbeit bieten selbstorganisierte Treffs klar zu benennende Vorteile: Die Treffs engagieren sich über Jugendarbeit hinaus für soziale und gesellschaftliche Belange im Ort. Sie helfen mit bei Spendensammelaktionen oder bei Piccobello-Tagen. „Jugendtreffs sind ein wichtiger Bestandteil, auch um Traditionen aufrechtzuerhalten, gerade auf dem Land, wie Fastnachtsumzüge, Erntedankfeste oder Maibaum setzen“, erzählt Frau Kolaric-Wilhelm und ergänzt: „Wenn es auch um das Thema Demokratieförderung und Demokratie erproben geht, da ist ja ein Jugendzentrum wirklich das allerbeste Feld dafür“.

Die Gemeinde nutzt die Treffs auch als Infrastruktur zur politischen Jugendbeteiligung. Frau Kolaric-Wilhelm organisiert halbjährliche Treffen mit allen Jugendtreffs, zum Austausch, zum Networking und zur gegenseitigen Unterstützung. Und: „Der Jugendrat der Gemeinde ist auch bei den Treffen mit dabei, denn sie sollen die Bedürfnisse der Jugend mitbekommen. Der Jugendrat kann die Treffen ebenso nutzen, um zu berichten, was er gerade macht und welche Projekte er gerade plant. Der Jugendrat besteht natürlich auch zum Teil aus Leuten aus den Treffs, aber auch aus Jugendlichen aus anderen Jugendvereinen.“

Die jahrzehntelange überwiegend positive Erfahrung mit den Jugendtreffs führt dazu, dass sich die jeweiligen Bürgermeister*innen und Ortsvorsteher*innen sehr offen gegenüber den Anliegen der Treffs zeigen und diese auch ernst nehmen. „Natürlich gibt es da auch generationsbedingt ein paar andere Ansichten, wenn der eine oder andere Ortsvorsteher schon etwas älter ist, aber die Ortsvorsteher sind schon alle auch stolz, wenn sie einen Treff in ihrem Ort haben“, erzählt Frau Kolaric-Wilhelm. Und Herr Hoffmann bestätigt: „Der Verein mit dem Jugendtreff, von Jugendlichen für Jugendliche organisiert, ist natürlich ein Riesengewinn für den Ort, da sind wir absolut froh, dass zu haben. Man muss sich in diesen kleinen Orten als Gemeinschaft verstehen, nicht nur im Jugendtreff, man muss für die Älteren, für die Jüngeren da sein. Miteinander und füreinander, da ist das Verständnis auf beiden Seiten“.

Und die Jugendlichen selbst? Für sie steht im Mittelpunkt, dass der Jugendtreff eben genau das ist: ein Ort, an dem man sich mit Freunden treffen kann. Vor allem auf dem Land, wo die Wege weit und die Verkehrsanbindungen mit dem ÖPNV schlecht sind, braucht es aus Sicht der Jugendlichen dringend einen eigenen Raum. Ein Raum, den man selbst gestalten kann und in dem man auch die eigenen Vorstellungen von Freizeitgestaltung umsetzen kann. Ein Mitglied des JT Hemmersdorf erzählt: „Für mich war immer das Beste, wenn man irgendwas zusammen organisiert hat im Team und dann steht man da und tausend Menschen feiern, weil man etwas auf die Beine gestellt hat“. Ein Mitglied des JC Gerlfangen ergänzt: „Am Anfang fand ich es hier nicht so cool, weil ich dachte, es ginge nur ums Abhängen. Aber als ich dann mal gesehen habe, was man hier alles machen kann und wieviel Spaß es macht, hier gemeinsam was zu starten, fand ich es super. Ich habe hier im Jugendclub meine schönsten Erinnerungen. Ich habe hier meine Freundin kennengelernt und die besten Partys gefeiert“.

Für die Jugendlichen ist es aber auch wichtig, sich mit dem Jugendclub am Dorfgeschehen zu beteiligen. Sei es mit der Kirmesdisco, den Faschingsumzügen oder sonstigen ländlichen Traditionen: „Eine große Sache ist natürlich das Holen des Maibaums, das machen die Aktiven im Juz mit ein paar Freunden aus dem Dorf. Dann wird er aufgestellt und wir feiern das Maifest hier im Jugendtreff. Woanders macht das häufig die Feuerwehr, aber bei uns im Ort macht das Jugendtreff“ berichtet der JC Gerlfangen. Auch wohltätige Aktionen stehen hoch im Kurs, z.B. in Hemmersdorf: „Wir beteiligen uns im Dorf ziemlich viel, wo wir uns präsent zeigen, zum Beispiel bei der Picobello-Aktion, wo Müll gesammelt wird, bei Bolivienaktionen, wo wir Altkleider in Säcken sammeln für Bolivien. Oder auch Nikolaus-Aktion, Kriegsgräbersammlung. Da geht es darum, dass man im Dorf sieht, dass wir eine Gemeinschaft sind.“ In Oberesch waren die Jugendlichen des Jugendtreffs eine treibende und gestaltende Kraft im Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“, was sicher mit dazu beitragen konnte, dass Oberesch auf Landesebene die Goldmedaille und auf Bundesebene die Silbermedaille holen konnte. Sehr stolz sind die Oberescher Jugendlichen auf ihre Teilnahme beim IBG Jugend-Work-Camp 2018, als sie gemeinsam mit jungen Menschen aus aller Welt einen Barfußpfad für Menschen mit und ohne Handicap anlegten.

Bei soviel Engagement bleibt es nicht aus, dass man nebenbei auch viel lernt und viel aus der Zeit im Jugendclub mitnimmt, z.B. Handwerken: „Wir haben hier im JC Hemmersdorf alles selbst renoviert, wir haben im Juz ziemlich viele Leute, die sind Handwerker, Elektriker, Heizungsbauer, Dachdecker oder lernen das eben gerade in der Ausbildung. Wir haben eigentlich alles an der Hand, um die Sachen selbstständig zu machen“. Und dann lernt man noch zu organisieren, sich im Team abzusprechen, Konflikte zu lösen, Kompromisse zu schließen, sich als Einheit zu präsentieren, zusammenhalten, als Jugendliche sich bei Erwachsenen „Amtspersonen“ durchzusetzen und so vieles mehr! Ein „Gerlfanger“ erzählt: „Was ich dabei gelernt habe? Es ist sehr wichtig, sich gut zu organisieren. Nicht nur im Jugendtreff, auch sonst im Leben. Wenn man hier nicht organisatorisch gut aufgestellt ist, geht alles unter. Das lernt man mit der Zeit. Auch, wie man mit Leuten redet, auch wenn mal was schiefgelaufen ist. Wie man mit Leuten umgeht, egal ob Autoritätspersonen oder andere Jugendliche im Jugendzentrum. Da nimmt man schon einiges mit, gerade, wenn man noch jung ist und so viel Erfahrungen noch nicht hat“. Und in Hemmersdorf betont man: „Wir haben im Jugendtreff Teamarbeit und Organisation fürs Leben gelernt. Und vor allem Kompromissbereitschaft und mit den Kompromissen leben zu können. Kritikfähig muss man halt sein. Und an einem Strang ziehen. Wir sind ein Vorstand und stehen zusammen für die Sache ein“.

Und so geht man in Rehlingen-Siersburg auch gelassen mit Schwierigkeiten um, wenn z.B. mal eine Treff-Party aus dem Ruder läuft und es den Nachbarn doch mal zu bunt wird. Meist landen Beschwerden und der Unmut über den Jugendtreff z.B. in Gerlfangen direkt beim Ortsvorsteher: „Ich stehe dann – leider oder gottseidank – meist auf der Seite der Jugendlichen. Natürlich kommen dann auch mal Ansagen – in einem vernünftigen, freundschaftlichen Ton. Und damit konnten wir bislang alle Konflikte lösen. Ich glaube, der Jugendtreff kann sicherlich sagen, dass ich voll hinter ihm stehe und ich habe immer gesagt: Ich bin nicht derjenige, der den Jugendtreff zumacht!”. Tatsächlich bestätigen die Jugendlichen in Gerlfangen: „Mit dem Ortsvorsteher und der Jugendpflegerin ist das prima. Wir haben einen Nachbarn, da ist das Verhältnis problematisch, aber die meisten wissen durchaus, wie es so ist und verstehen auch, dass es im Jugendtreff mal lauter wird. Jedes Jahr schenken wir den Nachbarn Fresskörbe als Dankeschön, dass sie es aushalten“.

Die Gemeinde Rehlingen-Siersburg steht voll hinter ihrer Jugend und die jungen Menschen sehen hier ihre Heimat und wollen auf jeden Fall bleiben. Landflucht ist hier kein Thema: „Für mich wäre es das schlimmste, was mir passieren könnte, wenn ich jetzt hier wegmüsste. Ich bin da vielleicht auch mit meinen zwanzig Jahren etwas spießig, aber ich habe hier schon mein Baugrundstück. Ich habe das Dorf einfach lieben gelernt. Ich kann mir einfach nichts anderes vorstellen. Die Leute, die vor ein paar Generationen aus Hemmersdorf weggezogen sind, kommen jetzt auch wieder“.

Auch die Jugendlichen aus Gerlfangen halten große Stücke auf ihre Gemeinde: „Der Hauptgrund ist auf jeden Fall, dass sowohl die Ortsvorsteher als auch die Gemeinde hinter den Jugendtreffs stehen und das beibehalten wollen. Und auch mal ein Auge zudrücken, wenn Beschwerden kommen. Das hält die Jugendlichen auch hier und das sollte jede Gemeinde so machen. Wenn es die Jugendtreffs nicht gäbe, hätte ich keinen Grund, hier zu bleiben“.